Forschungsergebnisse

Im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts entwickelten und testeten wir ein Transaktivitäts-Training mit rund 1.000 Schülerinnen und Schülern. Hier finden Sie den genauen Ablauf der Studie, ausgewählte Ergebnisse und einige ausgewählte Publikationen.

STUDIE

Für die Praxis wie die Forschung stellt sich die Frage, inwiefern Schüler*innen mit dem Kommunikationstraining tatsächlich in ihren kooperativen Arbeits- und Lernprozessen unterstützt werden. Sollen Lehrer*innen das Kommunikationstraining in ihre Unterrichtspraxis aufnehmen, braucht es gute empirische Argumente hierfür. In einer umfangreichen Evaluationsstudie wurde das Training, das inzwischen auch im BELTZ-Verlag erschienen ist, mit ungefähr 1.000 Schüler*innen der neunten Klassenstufe erprobt. Um die Wirksamkeit des Trainings zu überprüfen, erhielt die eine Hälfte der Schüler*innen das Kommunikationstraining, welches die Fähigkeiten transaktiver Kommunikation vermittelte, während die andere Hälfte an einem Präsentationstraining teilnahm. Die Schüler*innen mit dem Präsentationstraining bildeten die Vergleichsgruppe. Die Trainings wurden von geschulten Trainer*innen klassenweise im Rahmen von Projekttagen durchgeführt. Dies ermöglichte es den Schüler*innen, fokussiert an ihren Fähigkeiten zu arbeiten.

Im Kommunikationstraining wurde eine Auswahl der in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Übungen zur transaktiven Kommunikation umgesetzt, im Präsentationstraining durchliefen die Schüler*innen Übungen zum Vortragen und zur Rhetorik. In beiden Schülergruppen wurden Methoden des Kooperativen Lernens eingesetzt. Beispielsweise kamen das Partnerpuzzle und die strukturierte Kontroverse zum Einsatz. Beide Trainings widmeten sich dem Unterrichtsthema „Weltweite Hungerproblematik“. Dieses Thema war fächerübergreifend ausgerichtet, so dass die Schüler*innen Inhalte u. a. aus den Unterrichtsfächern Deutsch, Ethik, Geographie, Biologie und Chemieerarbeiteten. Die beiden Trainingsansätze unterschieden sich für die Schülergruppen also auf der sozial-kommunikativen Ebene (transaktive Kommunikation oder Präsentieren), nicht aber auf der methodischen oder der inhaltlichen Ebene des Unterrichts.

Zu Beginn und am Ende der drei Projekttage arbeiteten die Schüler*innen in Lerntandems an einer komplexen Problemlöseaufgabe. So entwickelten die Lernenden beispielsweise eine vertikale Farm (einen sogenannten Farmscraper), wofür sie ihr Wissen zu biologisch-chemischen Kreisläufen von Pflanzen und Tieren nutzen und kombinieren sollten. Für die Forschung dienten die beiden Lernsituationen des Prä- und Post-Tests dazu, die transaktive Kommunikation der Schüler*innen zu erfassen. Dazu wurde die Kommunikation der Schüler*innen während der Zusammenarbeit mit Audiogeräten aufgezeichnet und im Nachgang an das Training transkribiert. Anhand dieser verschriftlichten Aufnahmen wurde im anschließenden Forschungsprozess die Anzahl transaktiver Äußerungen pro Schüler*in ermittelt. Die transaktiven Äußerungen wurden entsprechend der Lernstufen der Transaktivität in schwach-transaktive Formen (Nachfragen, Absichern) und stark-transaktive Formen (Erweitern, Hinterfragen, Gegenüberstellen, Zusammenführen) unterteilt.

Die Auswertungen zeigen, dass die Schüler*innen, welche am Kommunikationstraining teilnahmen, im Post-Test mehr transaktive Äußerungen in die Partnerarbeit einbrachten als zu Beginn der Projekttage. Für die Schüler*innen des Präsentationstrainings ergab sich dagegen keine Veränderung zwischen Beginn und Ende der Projekttage. Der Anstieg in der Schülergruppe des Kommunikationstrainings ist sowohl für die schwach-transaktiven als auch die stark-transaktiven Formen der Kommunikation zu verzeichnen. Somit konnte durch das Kommunikationstraining die transaktive Kommunikation der Schüler*innen verbessert werden. Die Auswertungen lassen jedoch auch erkennen, dass die stark-transaktiven Kommunikationsformen für die Schüler*innen eine große Herausforderung darstellten und selbst mit einem Kommunikationstraining vergleichsweise selten eingebracht wurden. Eine mögliche Erklärung hierfür ist darin zu sehen, dass die Projekttage zwar einerseits ein fokussiertes Arbeiten am Thema ermöglichten, andererseits waren sie für die Schüler*innen auf vielen Ebenen sehr anspruchsvoll:

(1) Innerhalb kürzester Zeit mussten sie sowohl an Fachinhalten als auch an ihren Kommunikationsfähigkeiten arbeiten.
(2) Darüber hinaus haben sie(teilweise erste) Erfahrungen mit unterschiedlichen Methoden des Kooperativen Lernens gesammelt.
(3) Und nicht zuletzt hatten die Schüler*innen immer wieder wissenschaftliche Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Partner- und Gruppenarbeiten und zu den Trainingsmodulen auszufüllen, für die sie auf eine Metaebene wechseln mussten.

Die Ergebnisse legen daher nahe, das Kommunikationstraining verteilter und kontinuierlicher in die Unterrichtspraxis zu integrieren, damit die Schüler*innen die anspruchsvolleren Formen der transaktiven Kommunikation über einen längeren Zeitraum hinweg und anhand verschiedenster Übungen trainieren können. Ein kontinuierlicheres Training sollte dazu beitragen, dass die Schüler*innen gewohnte Sprachmuster verändern und um neue Kommunikationsformen und Formulierungen erweitern können. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie zeigt sich darin, dass die Schüler*innen durch das Kommunikationstraining positivere Einstellungen gegenüber Partner- und Gruppenarbeiten entwickelt haben. Dies geht aus Befragungen zu Beginn und am Ende der Projekttage in beiden Schülergruppen hervor. Somit trägt das Kommunikationstraining dazu bei, dass Schüler*innen mehr Motivation für peergestützte Lernformen und Freude an der Zusammenarbeit mit anderen entwickeln. Insofern stärkt das Kommunikationstraining eine weitere wichtige Voraussetzung für eine intensive kooperative Auseinandersetzung mit den Lerninhalten.

Ausblick
Die Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass das Kommunikationstraining Schüler*innen in ihrem Arbeits- und Lernprozessunterstützt und ihre sozial-kommunikativen Fähigkeiten fördert. Damit adressiert das Kommunikationstraining ein wichtiges Anliegen von Lehrer*innen, und zwar die Stärkung von Schülervoraussetzungen für peergestütztes Lernen. Verfügen Schüler*innen nicht in ausreichendem Maß über Fähigkeiten zum gemeinsamen Arbeiten und Lernen, sind peergestützte Lernformen wenig effektiv und stellen vielmehr eine Belastung für Lehrer*innen wie Schüler*innen dar. Das Kommunikationstraining bereitet Schüler*innen so auf die Zusammenarbeit vor, dass peergestütztes Lernen sein lernförderliches Potenzial entfalten kann. Mit dem Kommunikationstraining werden gleichzeitig Fachinhalte umgesetzt, und die Schüler*innen lernen verschiedene Methoden Kooperativen Lernens kennen. Damit findet Lernen auf mehreren Ebenen statt. Sicherlich braucht es am Anfang des Trainings mehr Vorbereitungs- und Unterrichtszeit, als wenn die reinen Fachinhalte vermittelt werden. Sobald die Schüler*innen allerdings grundlegende Fähigkeiten der transaktiven Kommunikation erworben haben, werden sie voraussichtlich auch intensiver, verständnisorientierter und nachhaltiger fachlich lernen. Darüber hinaus werden die Schüler*innen selbstgesteuerter arbeiten. Lehrkräfte haben dadurch verstärkt die Möglichkeit, einzelne Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf besonders zu fördern, während die große Gruppe der Mitschüler*innen relativ wenig Anleitung benötigt. Dies ermöglicht Lehrpersonen auch, ihre Rolle als Lernbegleiter zu entwickeln und auszufüllen.

In der Weiterentwicklung unseres Programms sowie in der zukünftigen Forschung zum Kommunikationstraining werden wir Lehrer*innen beider Umsetzung des Trainings unterstützen und über einen längeren Zeitraum in ihrer Unterrichtspraxis begleiten. Interessant ist dabei vor allem die Verschränkung der Übungen transaktiver Kommunikation mit unterschiedlichen Fachinhalten. Dies wird dazu beitragen, das Kommunikationstraining kontinuierlich weiterzuentwickeln. Aus einer Forschungsperspektive ebenso interessant ist die langfristige Wirkung des Trainings auf das Unterrichts- und Klassenklima. Wir vermuten, dass von einer verbesserten Kooperation unter den Schüler*innen auch eine positive Wirkung auf ihre Beziehungen zueinander ausgeht: Erleben die Schüler*innen in Partner- und Gruppenarbeiten Erfolge für das eigene Lernen wie auch für die Gruppe, könnte dies zu positiveren Kontakten zu Mitschüler*innen führen. Abschließend möchten wir Sie gerne zum Austausch anregen:

(1) Wir laden Sie dazu ein, mit uns Ihre Erfahrungswerte zu teilen! Hierzu können Sie uns gerne über mail@transaktivitaet.de kontaktieren.
(2) Weiterhin werden wir neue sowie weiterentwickelte Übungen, praxiserprobte Unterrichtsmaterialien und Ideen zur digital gestützten Umsetzung kontinuierlich in unsere Website einpflegen. Sie sind herzlich eingeladen, eigene Dokumente und Good-Practice-Beispiele beizusteuern.
(3) Des Weiteren planen wir, mit Lehrkräften fachspezifische Publikationen zu entwickeln, in denen die Übungen zur transaktiven Kommunikation mit den Inhalten des jeweiligen Faches verbunden werden. Sollten Sie fachspezifische Unterrichtsbeispiele und Materialienentwickeln oder in größerem Umfang an der Mitgestaltung einer solchen Publikation interessiert sein, so kommen Sie gerne mit uns ins Gespräch.
(4) Möchten Sie sich als Schule umfänglich und nachhaltig mit dem Training transaktiver Kommunikation und kooperativen Arbeitens und Lernens befassen, so unterstützen wir Sie gerne im Rahmen von Schul- und Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen, Fortbildungen für das Kollegium oder Qualifizierungen einzelner Kolleg*innen, welche wiederum als Multiplikator*innen an Ihrer Schule eingesetzt werden können.

Eingangs wurde beschrieben, dass das Kommunikationstraining die Absicht verfolgt, für eine entspannte und konzentrierte Atmosphäre zu sorgen, innerhalb deren die Schüler*innen gut zusammenarbeiten und von der Partner- und Gruppenarbeit profitieren können. Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich, dass durch das Training nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit steigt. Der „Aufwand“ des Trainings zahlt sich also in Form einer erhöhten Motivation und verbesserten Kommunikation der Schüler*innen aus. So können Sie als Lehrperson Ihren Fokus auf die Beobachtung, Beratung und Begleitung Ihrer Schüler*innen richten. Und die Schüler*innen werden sich ihrer Kommunikation bewusster, sich als selbstwirksamer erleben, bessere gemeinsame Ergebnisse erzielen und kreativere Ideen entwickeln.

FORSCHUNGSGRUPPE

Lukas Mundelsee

Psychologe (M.Sc.), systemischer Berater (SG) und Trainer für Schülerworkshops. Derzeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im BMBF-Projekt „TKKG“ an der Universität Erfurt und promoviert zum Thema mündliche Mitarbeit und Schüchternheit in der Schule.

Prof. Dr. Susanne Jurkowski

Professorin für inklusive Bildungsprozesse mit Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung an der Universität Erfurt. Ihre Forschungsinteressen sind Diagnostik und Förderung sozial-emotionaler Fähigkeiten, Kooperatives Arbeiten und Lernen sowie multiprofessionelle Unterrichtsteams.

Dennis Sawatzki

Geschäftsführer des Instituts für Schulentwicklung und Hochschuldidaktik (Bochum), Lehrer- und Dozentenfortbildner, Buchautor und Supervisor (DGSv). Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im BMBF-Projekt „TKKG“ an der Universität Kassel und promoviert zum Thema Kooperatives Lernen.


Prof. Dr. Martin Hänze

Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Kassel. Seine Hauptforschungsinteressen sind das Kooperative Lernen sowie die Lehr-Lern-Forschung in Schule und Hochschule.




PUBLIKATIONEN & TAGUNGEN

Mundelsee, L. & Jurkowski, S. (2021). Think and pair before share: Effects of collaboration on students' in-class participation. Learning and Individual Differences, 88, 102015. Abrufbar unter: https://www.researchgate.net/publication/351361182_Think_and_pair_before_share_Effects_of_collaboration_on_students'_in-class_participation

Jurkowski, S., Mundelsee, L., Sawatzki, D., & Hänze, M. (2021, September). Die Qualität kooperativen Lernens erfassen: Entwicklung eines hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens. Beitrag präsentiert auf der 18. Tagung der Fachgruppe für Pädagogische Psychologie (PaePsy) der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

Mundelsee, L., Jurkowski, S., Sawatzki, D., & Hänze, M. (2021, September). Kooperatives Lernen anbahnen: Entwicklung und Evaluation eines Trainings für lernwirksame Schülerkommunikation. Beitrag präsentiert auf der 18. Tagung der Fachgruppe für Pädagogische Psychologie (PaePsy) der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

Mundelsee, L. & Jurkowski, S. (2021, August). Preparing students for collaboration: Effects of an in-class training in transactive communication. Beitrag präsentiert auf der 19th Biennial EARLI Online-Conference.

Sawatzki, D., Mundelsee, L., Hänze, M., & Jurkowski, S. (2020). Transaktive Kommunikation. Ein Puzzlestein für erfolgreiches kooperatives Lernen. Schulmagazin 5-10, 2020, Heft 2, 53-56.

Mundelsee, L., Sawatzki, D., Hänze, M., & Jurkowski, S. (2020). Kommunikation üben. Wie sich Gruppenarbeit von Schülerinnen und Schülern gezielt verbessern lässt. Pädagogik, 2/20, 15-20.